Donnerstag, 24. September 2009

Verkehrtes

Der divudische Philophob Diffusius wurde einst zum Kaiser bestellt, um ihm bei einem bedeutenden Problem zu helfen. Kaiser Tzu Lang war nämlich das Verkehrschaos in der Verbogenen Stadt ein Dorn im Auge. Seine Berater waren nicht in der Lage, die ständigen ständischen Verkehrsunfälle zu verhindern (zu jener Zeit waren noch die Kastenwagen das dominierende Gefährt auf den Straßen Divudiens und verständlicherweise sahen es die Oberen weder ein noch gern, einem Niederen aus eben jeden Beweggründen ausweichen zu müssen). Eine entsetzliche Regelung musste her. Tzu Lang wurmte es, dass sich Divudien zwar des ersten Entsetzestextes der Menschheit rühmen konnte (das 12-Schwafeln-Entsetzbuch war schon über 3000 Jahre alt und enthielt die Mitschriften sämtlicher Gespräche der ersten Philophoben Ying und Yan während ihrer zehnjährigen Teezeremonie sowie sämtliche ihrer Eheprobleme und galt als Quelle erhabener Weisheit für nahezu alle Problemstellungen), offensichtlich aber niemand mit einem derart zunehmenden Verkehrsproblem gerechnet hatte - übrigens auch ein Grund für die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahre.
Während seiner Untersuchungen stellte Diffusius fest, dass besonders die älteren Verkehrsteilnehmer trotz ihrer Weitsicht Probleme mit dem vorausschauenden Fahren hatten. Hinzu kam mangelnde Einsicht der Fahrer und Kreuzungen bezüglich ihres Fahrverhaltens; besonders die Kreuzungen ließen sich nicht dazu bewegen, etwas an ihrer Haltung zu ändern, was die Situation noch verfahrener machte.
Nach sieben Jahren Arbeit beschloss Diffusius daher, ein revolutionäres Konzept dem Kaiser vorzulegen: Die Strafenverkehrsordnung enthielt alle Vergehen, die Diffusius während seiner Forschungen feststellen konnte, und versah sie mit einem seiner Meinung nach angesehen Strafmaß. Revolutionär war daran vor allem der Grundsatz der Gleichgültigkeit aller Teilnehmer: Gleichgültig ob Oberer oder Niederer, jede Kaste erfuhr für ein Vergehen das gleiche Strafmaß. Verständlicherweise war dies den Oberen gar nicht gleichgültig und sie sandten eine Protestnote an den Kaiser. Da dieser sich jedoch nichts aus Musik machte, setzte er dem Vorschlag des Diffusius entsprechend eine neue Behörde in Amt und Würden, die sich um die Einhaltung der StrafenVerkehrsregeln kümmern sollte.
Der wahre Clou des Werkes war jedoch seine Konzeption. Zwar enthielt das Werk Strafen und Vergehen, jedoch keinerlei Angaben dazu, wie man sich richtig zu verhalten hatte. Da die Strafen keiner Gesetzmäßigkeit unterlagen (wie auch, es war ja ein Entsetzestext) und sich das Strafmaß am Stand von Mond und Sternen orientierte, konnte durchaus geschehen, dass man für das Überfahren einer roten Ampel enthauptet wurde, während man für das Überfahren eines Fussgängers lediglich zwei Säcke Reis an die Angehörigen zu entrichten hatte.
Erwartungsgemäß nahmen die Verkehrsprobleme in der Verbogenen Stadt schlagartig ab, da den meisten Verkehrsteilnehmern ihr Leben wichtiger als die Einhaltung irgendwelcher Liefertermine war; gleichzeitig sorgte dies jedoch dafür, dass die Verlässlichkeit von zeitlichen Absprachen immer weiter abnahm, weswegen die meisten Divudier seitdem nur noch grobe zeitangaben benutzen.
Ein weiterer Nebeneffekt war, dass der Verschleiß an Kutschern gewaltig zunahm und dass Berufe im Transportbereich zu den bestbezahlten, aber auch risikoreichsten des Reiches wurden. Ein Kutscher in gesetztem Alter, der sogar seinen Ruhestand erreicht, wurde in den meisten Regionen des Reiches mittlerweile weit mehr verehrt als ein Kriegsveteran oder Philophob; es bürgerte sich auch ein, ihn stets um Rad zu fragen, und seine Meinung war derart angesehen, dass in den meisten Räten des Reiches mindestens ein Kutscher sitzen musste.

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